Unsere Lesetipps
empfohlen von Irene Scheurer

Lisa Elsässer: Im Tag
Die Protagonistin des schmalen Erzählbandes von Lisa Elsässer hat hinten im Tal von einem Bauer eine einfache, einsam gelegene Hütte gemietet für Auszeiten. Sie nutzt diese zum Schreiben und versucht, mit den Herausforderungen der Stille zurechtzukommen. Nicht nur die äussere Landschaft verändert sich bei den «Talreisen», sondern auch die innere. Sie reflektiert über ihre Beziehung zu ihrem Ehemann, ihrem Sohn und ihrem verstorbenen Freund. Ihnen und der Fremden, die sie im Café getroffen hat, schreibt sie Briefe, die sie jedoch nicht abschickt. In wunderschöner, poetischer Sprache schildert Lisa Elsässer die Tage in der Einsiedelei und erzählt von der Bekanntschaft mit dem wortkargen Bauer, die sich zart entspinnt.

Julia Schoch: Das Liebespaar des Jahrhunderts. Biographie einer Frau
«Das Liebespaar des Jahrhunderts» ist der zweite Teil von Julia Schochs geplanter Trilogie «Biographie einer Frau». Der Roman kann aber gut ohne Kenntnisse des ersten Teils «Das Vorkommnis» gelesen werden. Die Autorin erzählt in ihrem neuen Buch von der Entfremdung eines Paares nach 30 Jahren Ehe. Die Ich-Erzählerin will ihren Mann verlassen und reflektiert vor der Umsetzung ihres Plans über die gemeinsamen Jahre. Sie erinnert sich an das erste Treffen an einer ostdeutschen Universität, die rauschhafte Zeit der Verliebtheit, die Studienjahre im Ausland und später die Zeit als Familie mit kleinen Kindern. Sie spürt den Wendepunkten und Dissonanzen nach, die sich in der langen Beziehung eingestellt haben und fragt sich, ob denn eine Beziehung als gescheitert bezeichnet werden kann, wenn sie so lange gedauert hat. Trotz der Ernüchterung ist das Buch auch ein Loblied auf die Liebe; leicht und tiefgründig zugleich.

Susanne Abel: Stay away from Gretchen. Eine unmögliche Liebe
Susanne Abel webt viele interessante historische Fakten in ihren fiktiven Roman ein, den sie auf zwei Zeitebenen erzählt. Sie zeichnet die Geschichte einer Kleinfamilie in Ostpreussen während des zweiten Weltkriegs nach, die sich am Ende des Kriegs als Flüchtlinge im eigenen Land in Heidelberg unter schwierigen Umständen durchschlagen muss. Aufgrund der Beziehung zum afroamerikanischen Besatzungssoldat Bob erfährt die 18-jährigen Protagonistin Greta und ihr «Brown Baby» viel Hass und wird gesellschaftlich ausgegrenzt.
Das Thema Rassismus wird auch auf der zweite Zeitebene, der Gegenwart von 2015, beleuchtet. Die Autorin zeigt Parallelen zwischen der aktuellen Flüchtlingskrise und Gretas Vergangenheit auf und formuliert mit ihrem Debütroman ein eindringliches Plädoyer gegen Hass und Diskriminierung.
Die Fortsetzung der Geschichte hat Susanne Abel in ihrem zweiten Roman "Was ich nie gesagt habe. Gretchens Schicksalsfamilie“, der 2022 erschienen ist, veröffentlicht.